Lutherkirche und Kunst

Ein Rückblick

Welche Bedeutung die Künste für uns haben, erleben wir, wenn keine oder kaum Veranstaltungen, Ausstellungen und Gottesdienste stattfinden können. Es fehlt etwas Essentielles, das über reinen Zeitvertreib hinaus geht, es fehlt das gemeinsame Erleben, es fehlt der Genuss und/oder die Reibung, die durch Kunst entstehen können.

Als Hans Mörtter 1987 Pfarrer der Lutherkirche wurde, engagierte er fast umgehend Künstler und Künstlerinnen und widmete sich ebenfalls dem Turm der Lutherkirche. Der hat seit dem Zweiten Weltkrieg keine Spitze mehr, Einschlagspuren von Granaten und erzählt allein durch seine Existenz von den Auswirkungen von Gewalt. Heute ist Hans Mörtter im Ruhestand, aber unser Kurator Rochus Aust führt die Ausstellungen im Turm weiter.

1989

Der damalige Presbyter Hermann Vogel war von 1989 bis 2017 als Kurator für „kunst im turm“ verantwortlich und hat eine beachtliche Anzahl von hochwertigen Ausstellungen auf dessen verschiedenen Etagen kuratiert. Als er 2017 verabschiedet wurde, würdigte Pfarrer Hans Mörtter ihn mit emotionalen Worten: „Weite statt Enge / Freiheit und Mut statt kleinmütiger Angst / die Lutherkirche mit Ihrem Gütesiegel / das sind Sie für mich und werden es immer bleiben / Und so mache ich weiter mit Ihnen im Rückgrat und im Herzen“. Wir haben den feierlichen Abschied von Hermann Vogel dokumentiert.

1995

Kein Künstler hat das Interieur der Lutherkirche so geprägt wie Christos Koutsouras, als er 1995 das 12 mal 6 Meter große Wandbild malte, das hinter dem Altar angebracht und heute ein Wahrzeichen der Lutherkirche ist. Pfarrer Hans Mörtter erinnert sich: „Fünf Wochen lang arbeitete er auf dem Boden der Lutherkirche rund um die Uhr daran wie ein Besessener und er stand vor einer fast unmöglichen Aufgabe. Dabei kam er und ging er, und immer schauten Menschen herein, auch nachts mit Staunen und spannenden Gesprächen: Eine Gemeinde im Prozess“. Seit Karfreitag 1995 hängt es dort und 2020 fand an diesem Tag erstmals kein Gottesdienst vor dem Wandbild statt, am höchsten Feiertag der Protestanten und Protestantinnen.

Ebenfalls 1995 wurde der Vringstreff e. V. unter Mitwirkung von Pfarrer Hans Mörtter gegründet, eine Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Obdach, mit Beratungsmöglichkeiten und einem Restaurant, in dem Obdachlose für kleines Geld eine Mahlzeit einnehmen können. Malkurse, Kunstausstellungen, Krimilesungen oder der jährliche Besuch des Kölner Dreigestirns erlauben Menschen am Rande der Gesellschaft die Teilhabe an Kunst und Tradition. Die Obdachlosen, Straßenmusiker:innen und wirtschaftlich Schwachen sind besonders von der jetzigen Krise betroffen.

1998

Der kulturelle Förderverein der Lutherkirche Südstadt Leben e. V. wurde 1998 gegründet und ist für die künstlerischen und gesellschaftlichen Veranstaltungen in der Lutherkirche zuständig. Unter der Leitung von Sonja Grupe mauserte sich die Lutherkirche u. a. zu einem beliebten Ort für Weltmusik. Tanzen, Mitsing-Abende, Bazare, Flohmärkte und die Partys machen seitdem die Lutherkirche zu einem beliebten Treffpunkt.

2001

Im Jahr 2001 gründeten der italienische Jazz-Saxophonist Alessandro Palmitessa und Pfarrer Hans Mörtter das Menschensinfonieorchester (MSO), das zunächst für Menschen mit und ohne Obdach gedacht war, in dem heute Menschen verschiedener Ethnien, sozialer Herkunft, gesellschaftlicher Stellung sowie Menschen mit Krankheiten und Behinderungen gemeinsam musizieren. Das MSO hat schon drei CDs aufgenommen und im Jahr 2021 sein 20jähriges Bestehen gefeiert. Die Finanzierung und der Erhalt des Orchesters muss immer wieder neu durch Spenden gesichert werden.

2005

Nachdem er schon länger an der Luther- und Kartäuserkirche gewirkt hatte, erhielt unser Kantor Thomas Frerichs im September 2005 eine Festanstellung und ist seitdem für beide Kirchen tätig. Neben geistlicher Musik spielt er Klassik, Pop, Jazz, Karnevalslieder, Tango und vieles mehr. Er leitet mehrere Chöre und ist die musikalische Seele der Lutherkirche.

Seit 2017

Im Jahr 2017 übernahm Rochus Aust das Amt des Kurators der Lutherkirche und stellt jeden Monat eine Soirée sonique auf die Beine, und er hat sich auf Klangbasierte Künste spezialisiert, was sich in seinen Ausstellungen niederschlägt. Die ehemalige „kunst im turm“ findet jetzt unter LTK4 statt. Diese Mischung von visueller und akustischer Kunst brachte Rochus Aust 2019 den Kölner Kulturpreis für „Junge Initiativen“ ein. Videos hier.

Bis 2016 gab es jedes Jahr die Nachtstillen, die an mehreren Abenden vor Ostern und vor Weihnachten stattfanden. „Diese Nachtstillen wollen wir als ein ‚Lebensprinzip‘ anbieten, um zur Ruhe zu kommen, nicht zugedröhnt zu werden, einfach still zu sein und diese Stille zu genießen. Das erfolgt mit einfühlsamer Musik (auch Obertongesang) und einem aussagekräftigen Text. Hier entsteht ein Raum, in dem ich anhalten und mich in ein Gesamtgefüge hineinnehmen lassen kann, damit vielleicht etwas ins Schweben gerät. Ich halte an und bin,“ meinte damals Hans Mörtter. – Rochus Aust hat statt der Nachtstille und der bisherigen „passio“ im Jahr 2018 das Format „Unterbrechung“ erschaffen, einen Raum für Stille, Empathie und Schwerelosigkeit: „Die Größe von Empathie hat keinen Raum mehr in uns, weil schon zuviel Lärm und Information und tägliches Brot den Platz dort wegnehmen. Ein Katzenvideo hier, ein süßes Baby dort, mehr ist nicht mehr zu wollen. Und in der Konsequenz schwindet auch die Selbstempathie. – Die Stille beobachtet dies und legt es bestenfalls frei und könnte Voraussetzung für eine Erkenntnis sein, wenn sie nicht gleichzeitig soviel Verdecktes und Verstecktes aufwirbeln würde, das loszuwerden zunächst unmöglich erscheint. – Der Kosmos, die Schönheit der Schöpfung, könnte die Lösung sein“.

Der deutsche Bildhauer Ulrich Rückriem lebt in der Kölner Südstadt und ist ein Bekannter von Pfarrer Hans Mörtter. Im September 2017 wurde er zum Kölner Talkgottesdienst in die Lutherkirche eingeladen, in der er zuvor sieben seiner Zeichnungen angebracht hat. Rückriem erklärte während des Talks: „Man kann Kunst eigentlich nicht erklären. Aber ich versuche es; da ist ja eine Logik drin in den sieben Punkten meiner Zeichnungen. Ich verteile sieben Punkte auf ein Blatt und verbinde vom ersten zum zweiten zum dritten zum vierten zum fünften zum sechsten zum siebten, und der siebte geht wieder an den Anfang zurück, das ist das Prinzip“. Seitdem werden sieben der bei der Erbauung von Hand geblasenen wabenförmigen Fenster von originalen Rückriem-Zeichnungen geziert.

Im August 2021 gestaltete die Lutherkirche unter der Federführung von Sonja Grupe, der Organisatorin vom Südstadt Leben e. V. ein Weltmusikprojekt auf Video. (Video und Beschreibung, siehe unten). Dieses gibt einen Überblick über die Vielfalt der musikalischen Darbietungen an der Lutherkirche.

Die Kunst und die eigene Kreativität eröffnen neue Lebensräume und bringen uns unserem inneren Funken näher; sie macht einen Teil des Menschseins aus und verbindet uns mit uns selbst, mit Gott und mit den anderen. Es ist wichtig, dass wir uns das erhalten.

Text: Helga Fitzner

Spendenaufruf
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