Unser Lutherfest
Hier begegnet Mensch dem Menschen
In jedem Jahr lässt sich die Lutherkirche viel einfallen, um das Gemeindefest zu einem Erlebnis werden zu lassen. Pfarrer Hans Mörtter ließ sich über die Hintergründe befragen.
Warum werden eigentlich Gemeindefeste veranstaltet?
Damit Menschen sich treffen können, feiern, fröhlich sein und genießen.
„Genießen“ bei Protestanten?
Genießen bei Protestanten! Genau!
Es geht darum, Gemeinsamkeit zu erleben, in der Unterschiedlichkeit zusammen zu sein. Jeder hat seinen Platz und jeder darf hier sein. Das ist das Entscheidende. Vor allem auch das Genießen. Ich hatte mir schon mal überlegt, das Gemeindefest ausfallen zu lassen, weil die Vorbereitung und Durchführung immer sehr aufwändig und teuer ist. Aber in der Südstadt heißt es dann immer: „Das kannst du nicht machen. Das geht nicht.“ Unser Gemeindefest hat sich zu einem Stadtteilfest gemausert, das einfach zur Südstadt gehört. – Schade wäre auch, wenn die gemeinsamen Vorbereitungen als dreitägiges Gemeinschaftserlebnis wegfallen würden: Bei einem Sektchen schnippeln und dabei nette Leute kennen lernen und mal in Ruhe ein Schwätzchen halten. Oder für eine am Freitag vorher zubereitete leckere (!) Suppe von 200 Portionen, die am Samstagmittag gegoren über den Topfrand quillt, auf die Schnelle einen Ersatz her zu zaubern – das schweißt zusammen!
Diese Gemeinschaft zeigt sich auch bei den Musiker:innen.
Das sind immer Spitzenbands. Wir sind da ganz schön wählerisch. Die müssen gut sein. Köbes Underground, Caribic Express, Kozmic Blue und viele andere. Das sind alles Superbands, die normalerweise nicht umsonst spielen. Die Musiker:innen unterstützen uns damit, weil sie die Arbeit der Lutherkirche gut finden und sich dadurch solidarisch mit uns zeigen. Deshalb ist es klar geregelt, dass es keine Gage gibt. Die machen das, weil wir alle an einem Strang ziehen. Wir sind in der Südstadt bemüht, dass sich menschlich was tut, dass sich politisch was tut, und auch sozial.
Bleiben da trotzdem Einnahmen für die Lutherkirche durch den Verkauf von Speisen und Getränken übrig?
Nein. Meistens kommen wir nach Abzug der Kosten für Tontechnik, Kinderspiele, Straßensperrung und Einkäufen etc. bei null/null am Ende heraus. Das ist eigentlich schade, weil die Vorbereitungen über mehrere Wochen gehen. Ich muss das Programm klar machen mit Bühne und Technik, meine Frau Sonja sorgt mit einem Team fürs Catering. Bei uns gibt es nicht nur einfach Gulaschsuppe oder Erbsensuppe, obwohl die auch sehr lecker sind. Bei uns gibt es eine Vielfalt verschiedener Speisen, Mediterranes, Vegetarisches, Koreanisches: Eine Bandbreite von schönem Essen, auf das man Lust bekommt. Kein Einheitsbrei. So wie die Musik ein tolles Programm bringt, bietet das Essen dann noch einen „Magengenuss“.
Das Lutherfest ist sehr beliebt bei Familien mit Kindern.
Klar, denn es gibt die Spielstraße mit ganz vielen Aktionen. Seit 2007 haben wir eine Kinderdisco und seit 2008 eine Jugenddisco. Und auf dem Buffet gibt es neben Speisen für den dickeren Geldbeutel auch welche, die sich Familien mit weniger leisten können.
In vielen Gemeinden treffen sich zum Gemeindefest meist die Leute, die der Kirche angehören. Das Lutherfest dagegen ist ein „Stadtteilfest“.
Unsere Absicht ist es, dass wir gespürt, gehört und erlebt werden, aber daran sind keine Bedingungen geknüpft. Die Leute merken, dass man sich hier wohlfühlen kann. Hier begegnet Mensch dem Menschen. Hier darf jeder sein. Jeder ist willkommen, auch wenn er gar nichts mit Kirche zu tun hat. Wir freuen uns natürlich, wenn der eine oder die andere neugierig wird und auch mal in den Gottesdienst hereinschaut.
Geschieht das öfter mal?
Es kommt vor. Manche ärgern sich sogar, dass sie nicht schon früher zu den Gottesdiensten gekommen sind und vieles verpasst haben.
Musik, Spiel und Speisen. Ist es protestantisch, so ausdrücklich seine weltlichen Bedürfnisse zu befriedigen?
Ja. Es geht um Satt-werden. Satt werde ich nicht nur, indem mir irgendwer erzählt: Gott macht dich satt und reich. Ich muss es auch erleben, ich muss es spüren. Der Martin Luther hat gesagt: „Du musst ihn schmacken, deinen Gott, ihn mit den Zähnen zermalmen“. Das war ganz körperlich und volksnah, wobei das Lutherfest keinen ausdrücklichen theologischen Hintergrund hat.
Das Interview führte Helga Fitzner am 13. Juli 2008
Plakat: Südstadt Leben e. V.