lutherkirche & musik
zwischen Event-Gottesdienst und Taizé
Herr Frerichs, die Lutherkirche steht in dem Ruf, eine Event-Kirche zu sein. Sehen Sie das auch so?
Für die Kölner Südstadt, speziell für die Luthergemeinde, braucht man wirklich Event-Gottesdienste. Ich persönlich fände es aber schade, wenn es hieße: Das ist ein TANGO-Gottesdienst. Man muss die Veranstaltung auch Tango-GOTTESDIENST nennen dürfen. Wenn das gewährleistet ist, finde ich Event-Gottesdienste stimmig, dann könnte es, zum Beispiel, auch ein „Käpt’n-Blaubär-GOTTESDIENST“ für Kinder sein.
Es kommt also darauf an, die Menschen zu erreichen!?
Es kommt auf die innere Haltung an und auf die Form. Und ja, für die Südstadt greift das Thematische einfach. Ich finde es gut, solange man den Gottesdienst nicht vor dem Event verstecken muss.
Eine weitere Besonderheit an der Lutherkirche ist die musikalische Untermalung der Texte von Pfarrer Hans Mörtter. Spielen Sie da intuitiv drauf los?
Nein, was ich im Gottesdienst spiele, ist immer sehr textabhängig, auch bei den Improvisationen. Wir legen Wert auf ein gleichwertiges Ineinander und Miteinander von Musik und Text. Hans Mörtter und ich klären meist vorher ab: Was passiert in dem Gottesdienst? Welche Psalmen kommen dran? – Es gibt ja auch Psalmenvertonungen, die ich vielleicht einbauen könnte. – Musik und Inhalt sollten übereinstimmen. Dazu bekomme ich mindestens ein Stichwortgerüst von Hans Mörtter geliefert. Denn es ist wirklich schwer für mich, wenn ich nicht weiß, worauf er hinaus will. Dann hinke ich vielleicht hinterher und deute das, was er gerade gesagt hat mit zeitlicher Verzögerung. Hans Mörtter ist sehr assoziativ, was, wie die Musik, eine emotionale Sprache ist. Dadurch ist es eigentlich recht leicht, das musikalisch zu untermalen.
Unser Namensgeber Martin Luther hat gezielt betrieben, dass die Menschen durch Musik aktiv in den Gottesdienst mit eingebunden werden. Wie sieht das heute an unserer Kirche aus?
Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass ich Musik FÜR die Gemeinde und MIT der Gemeinde mache. Das gilt für die Lutherkirche und die Kartause. Bei den Chören binde ich die Gemeinde noch aktiver mit ein. Die Chöre sind offen, jeder kann kommen, der singen möchte. Wir singen miteinander, müssen aber auch aufeinander hören, um einen harmonischen Klangkörper zu bilden. So kann Gemeinschaft entstehen. Wir erwarten bewusst nicht, dass jemand schon Gesangsunterricht gehabt hat oder Noten lesen kann. Mehrmals im Jahr gestalten der Lutherchor, der Südstadtchor und der Kinder Südchor Gottesdienste und Konzerte.
Bei den Taizé-Gottesdiensten singt die Gemeinde fast den ganzen Gottesdienst lang mit. Auf der anderen Seite entsteht durch die vielen Wiederholungen eine sehr meditative Stimmung. Wie sind Sie auf Taizé gekommen?
1989 bin das erste Mal nach Taizé gefahren. Dabei war es mir in erster Linie um die Ökumene gegangen. Dass die diese Gesänge dort hatten, wusste ich damals noch nicht.
Die Gesänge sind schon etwas eigentümlich. Sie erinnern ein wenig an buddhistische Mantren.
Man muss sich schon darauf einlassen, dass es Wiederholungsgesänge sind, die als Gebetshilfe dienen sollen. Wenn man sich dagegen wehrt, kann einem das nichts geben. Es ist schon so, dass man durch die vielen Wiederholungen in einen meditativen Zustand gerät. Da gibt es Menschen, die sich dadurch irgendwie beeinflusst fühlen.
Die Gehirnwellen bewegen sich bei Meditation auf den Frequenzen der Theta-Wellen. Die werden auch im Zustand zwischen Wachen und Schlafen gemessen. Haben Sie da eigene Erfahrungen gemacht?
Dieses rosenkranzmäßige Wiederholen schaltet schon irgendwie das Gehirn ins „Aus“. Wenn man das in Taizé mal ein paar Tage mitgemacht hat, wird man tatsächlich ruhiger. Ganz klar. Beim Tagesablauf in Taizé hat man lange Schweigezeiten. Dann sind die Gesänge die einzigen Töne, die man von sich gibt. Da haben mich die Taizé-Gesänge sehr beeindruckt. Ich bin froh, dass wir eine etwas abgewandelte Form davon jetzt auch regelmäßig an der Lutherkirche anbieten.
Das Interview führte Helga Fitzner im Sommer 2007
Foto: Helga Fitzner