"Das Tier als Mitgeschöpf"
Vorstellung des "Tierfrei-Tags" mit fleischlosem Mahl im Anschluss
Am 18. Januar 2015 stellten Pfarrerin Anna Quaas und unsere Presbyterin Alida Pisu das Leiden der Tiere in der Massentierhaltung und die Vorzüge zumindest gelegentlicher tierfreier Ernährung vor. Im Anschluss gab es ein tierfreies, überwiegend veganes Mittagsbüffet. Das war so reichhaltig und köstlich, dass alle geschlemmt haben. Scrollen lohnt sich, denn weiter unten haben wir ein paar Fotos eingestellt. Wir freuen uns sehr, dass der Gottesdienst von so vielen mitgefeiert wurde und danken den vielen Mitwirkenden und Köch:innen von Herzen.
In Deutschland werden jährlich 58 Millionen Schweine, 630 Millionen Hühner und 3,2 Millionen Rinder geschlachtet, insgesamt sind es weit mehr als 700 Millionen Tiere. Die meisten von ihnen haben ein kurzes und qualvolles Leben, wie man am Beispiel der Legehennen sehen kann.
Denn dass ein glückliches Huhn ein Ei legt, aus dem ein ebenso glückliches Küken schlüpft, das war einmal. Allein in Niedersachsen existieren 13 Brütereien mit 22 Millionen Brutplätzen. Sobald sie geschlüpft sind, landen sie auf einem Fließband, auf dem die männlichen Küken aussortiert und anschließend vergast oder bei lebendigem Leib geschreddert werden. 50 Millionen Küken im Jahr, die ihren Geburtstag nicht überleben. Der Grund dafür ist simpel: die Zucht von Legehennen ist ausschließlich auf die Produktion von Eiern ausgelegt. Weder normale weibliche noch männliche Tiere sind für die Mast geeignet, da sie nicht genug Fleisch ansetzen. Für die Hähnchenmast werden nur spezielle Züchtungen verwendet.
Den weiblichen Küken werden die Schnäbel gekürzt und die meisten von ihnen verbringen ihr Leben bis zur Schlachtung (im Alter von 12 – 15 Monaten) in Bodenhaltung, überwiegend in Betrieben mit bis zu 200.000 Legehennen. Kein Tageslicht, der Gestank von Kot, der Zwang, täglich ein Ei legen zu müssen. Dazu Bewegungsmangel, weil pro Henne nur 800 Quadratzentimeter Platz zur Verfügung stehen, nicht mehr als eine DIN 4 – Seite. Nach 300 gelegten Eiern ist Schluss mit Leben, die Hennen werden im Schlachthof mit Gas betäubt, bevor eine Maschine ihren Hals aufschlitzt – so wie im Geflügelschlachthof Wietze (Niedersachsen), in dem täglich 200.000 Hühner getötet werden.
Es ist ein solcher Wahnsinn, was wir Tieren antun, die wir als „Nutztiere“ betrachten! Ausschließlich erzeugt, um nur einem einzigen Zweck zu dienen: irgendwann einmal als Würstchen, Schnitzel, Burger oder sonst etwas auf unserem Teller zu landen und genüsslich verspeist zu werden. Aber kann man wirklich noch allen Ernstes von Genuss reden, wenn man weiß, dass Tiere, die ja auch Leid und Schmerz erleben können, für diesen Genuss leiden mussten? Denn es ist doch Leid, was ein Tier erlebt, dass sich nicht mehr auf den Beinen halten kann, weil es innerhalb kürzester Zeit schlachtreif gemästet wurde. Solche Fleischberge und so dünne Beine, die das Gewicht nicht mehr tragen können! Wer kann es ernsthaft verantworten, dass ‚Nutztiere‘, unsere Mitgeschöpfe auf Erden, gequält und unter Bedingungen gehalten werden, die wir unseren Haustieren, den Tieren an unserer Seite, niemals zumuten würden? Für unsere Haustiere, die wir oftmals sogar als Familien-Mitglieder empfinden, sorgen wir aufopferungsvoll, während wir die ‚Nutztiere‘, vielleicht mit schlechtem Gewissen, aber dennoch lustvoll, verspeisen.
Es ist jedem freigestellt, wie er mit den Bedingungen der ‚Fleischproduktion‘ umgeht, ob er darauf aus ist, Fleisch zu kaufen, das möglichst billig ist oder ob ihm das Wohl der Tiere auch einen höheren Preis wert ist. Aber es wäre wünschenswert, dass doch jeder weiß: Das Fleisch, das ich esse, war einmal ein Lebewesen, es hatte Empfinden und wenn ich dazu bereit bin, auch etwas mehr dafür zu bezahlen, muss dieses Geschöpf während seiner Lebensspanne kein Leid ertragen, sondern kann einigermaßen artgemäß aufwachsen‘. Wenigstens das müsste doch möglich sein.
Um das Tier als Mitgeschöpf in den Blick zu nehmen und es zu würdigen, feierten wir gemeinsam diesen Gottesdienst mit anschließendem Tierfreitagsmahl. Da JEDER etwas TIERFREIES (vegetarisch oder vegan) mitbrachte, wurden alle satt! Und der eine oder die andere bekommt dann vielleicht auch Lust auf mehr Tierfreies und mehr Tierfreiheit, nicht nur am Freitag. JEDER war herzlich eingeladen und willkommen! Einen veganen Stadtführer für Köln findet man hier: http://www.ti-koeln.de/“
Text: Alida Pisu
Artikel von Alida Pisu auf meine-suedstadt.de
Artikel in der Süddeutschen Zeitung
Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung
Artikel in der Süddeutschen Zeitung über Hühnerzucht
Ich erinnere mich noch gut an ein Erlebnis als Kind: Es war ein schöner Sommerabend, wir waren mit der Familie mit dem Auto unterwegs. An dem schönen Sommerabend freuten aber nicht nur wir uns, sondern auch eine ganze Reihe von Mückenschwärmen. Das Leben dieser Mückenschwärme allerdings fand durch unsere Autofahrt ein jähes Ende: Klatsch, Klatsch, Klatsch, Klatsch, Klatsch- fast so wie Regen hörte sich das an. Tausende von Mücken klebten an der Windschutzscheibe unseres Autos. Mein Vater fuhr langsamer, aber das Sterben ließ sich nicht aufhalten.
„Weißt du, wieviel Mücklein spielen in der heißen Sonnenglut, wieviel Fischlein auch sich kühlen in der hellen Wasserflut? Gott der Herr rief sie mit Namen, dass sie all ins Leben kamen, dass sie nun so fröhlich sind…“ heißt es in der zweiten Strophe des Kinderliedes „Weißt du wieviel Sternlein stehen“. Ganz schön makaber. Das Massensterben der Mücken ging mir wirklich zu Herzen und im nächsten Gebet kam vor, dass Gott die Mücken doch vor den Autos bewahren möge.
Man kann staunen über die Schöpfung, die völlig unterschiedlichen Tierarten, ihr Aussehen, ihr Gespür und ihren Instinkt, über das Singen der Vögel, über den Witz der Schmetterlinge und die Lebensfreude der Kaninchen. Aber man kann auch entsetzt sein, wie brutal Tiere aufeinander losgehen und sich gegenseitig töten, was für eine gnadenlose Hackordnung im Tierreich herrscht. Und der Mensch setzt noch einen obendrauf.
Im Schöpfungsbericht heißt es, der Mensch soll unter den Tieren für Ordnung sorgen: Herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen, notfalls auch mit Gewalt. Das Töten von Tieren ist aber ausgeschlossen.
Im Paradies lebten die Menschen vegetarisch, ja sogar vegan: Nur Pflanzen, die Früchte tragen, also sich direkt wieder aussämen können und Früchte an Bäumen, die sich ebenfalls wieder reproduzieren können, sollten die Menschen essen. Fleischkonsum, kann man sagen, gehört zur gefallenen Schöpfung, zu der Welt, wie sie ursprünglich von Gott nicht gemeint war. Zu Fleischfressern werden Menschen erst, nachdem sie das Paradies verlassen haben.
Feldarbeit, das Züchten von Tieren und auch das Schlachten von Tieren bestimmt seit Jahrtausenden den Alltag von Menschen. Nur wenige Ausnahmen verzichteten auf tierische Produkte.
Und Jesus? War Jesus Veganer oder Vegetarier? Nein, nach allem, was wir wissen, wohl eher nicht.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich Jesus ernährt hat wie die anderen Menschen, die damals gelebt haben, auch: Dass er Fisch und Fleisch gegessen hat. Die Erzählung von der Speisung der 5000, die alle satt werden von fünf Broten und zwei Fischen und vom Passamahl, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat und zu dem auch Lammfleisch gehört, belegen, dass Jesus auf Fisch und Fleisch nicht verzichtet hat: Ob man’s will oder nicht. Allerdings gab es zu Jesu Zeiten noch keine Massentierhaltung, keine Legebatterien, keine hemmungslose Überzüchtung und eine größere Nähe zwischen Mensch und Tier: Jesus, das Gotteskind, wurde schließlich in einem Stall geboren.
Über die Zeit zwischen seiner Taufe und bevor er begann, zu predigen von Gottes Reich, wird im Markusevangelium erzählt: „Und sogleich treibt ihn der Geist in die Wüste hinaus. Und er war vierzig Tage in der Wüste und wurde von dem Satan versucht; und er war unter den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.“ Für mich ist dieser kurze Text eine wirkliche Entdeckung: Denn häufig wird die Bemerkung überlesen, dass Jesus unter den Tieren und in Gemeinschaft mit ihnen lebte, bevor er sich an die Menschen wandte. Die Hoffnung auf Erlösung, so wird gedeutet, klingt in diesem kurzen Vers an, die Hoffnung darauf, dass Mensch, Gott und Tier in Harmonie und in Einklang leben. So wie es der Prophet Jesaja verheißen hatte: Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen.
Das ist eine Hoffnungsvision, dass alle Gewalt überwunden wird. Selbst Löwe und Schlange leben von Pflanzen. Die Tiere bekämpfen sich nicht untereinander, sondern leben in Frieden miteinander.
Und ich? Als Christin habe ich Sehnsucht nach der versöhnten Schöpfung und versuche Ehrfurcht zu haben vor dem Leben, vor jedem Leben. Wir leben in dem Dilemma, dass Tod und Gewalt zum Leben – auch zum Zusammenleben von Mensch und Tier – dazu gehören. Und teilweise sind wir dem ausgeliefert. Aber oft machen wir es uns auch zu leicht. Der Theologe und Arzt Albert Schweitzer schreibt dazu: »Ist der Mensch von der Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben berührt, so schädigt und vernichtet er Leben nur aus Notwendigkeit, der er nicht entrinnen kann, niemals aus Gedankenlosigkeit.« oder positiv formuliert „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“
Anna Quaas
Ich möchte einen Gedanken von Anna Quaas ein wenig vertiefen:
„Und Jesus? War Jesus Veganer oder Vegetarier? Nein, nach allem, was wir wissen wohl eher nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich Jesus ernährt hat wie die anderen Menschen, die damals gelebt haben, auch: Dass er Fisch und Fleisch gegessen hat.“
Als ich Kind war, habe ich mit großer Begeisterung meiner Oma zugehört, wenn sie von früher erzählte. Ich komme aus einer Bergarbeiterfamilie, mein Urgroßvater war Bergmann und mein Opa auch. Die Leute hatten nicht viel Geld. Auch kein Geld, um Fleisch zu kaufen. Einmal in der Woche gab es Fleisch, den Sonntagsbraten. Manchmal nicht für alle, wenn’s nicht reichte. Die meisten hatten ein Schwein im Stall, das die Essensreste bekommen hat. Und dann kam irgendwann der Metzger. Meine Oma hat mir das geschildert. „Weißt du, Schweine sind ja schlau, die kriegen alles mit. Deshalb sind wir erst mal rein in den Stall, haben da ein Schnäppsken getrunken, uns ganz normal unterhalten, damit das Schwein keine Angst kriegte. Und wenn das ganz beruhigt im Stroh lag, dann ging es los, aber da hat das Schwein nicht mehr viel von mitbekommen.“
Natürlich auch grausam, ohne Frage – und Resultat: Schwein tot. Aber ein Schwein hatte damals noch einen ganz anderen Wert als heute und man mag es zynisch nennen, doch allein dieses kleine bisschen Rücksichtnahme: damit das Schwein keine Angst kriegte, obwohl es normal war, Schweine zu halten und zu essen. Aber eben nicht in den Ausmaßen, wie wir uns heute vollfressen. Ein Schweineleben hat keinen Wert mehr, wir behandeln es nicht als beseeltes Wesen, das Schmerz oder auch Freude empfinden kann, es ist zu einem Produktionsfaktor verkommen, der ein elendes Leben fristet.
Wäre Jesus heute Vegetarier? Ist das denkbar? Wenn wir von einem neuen Himmel und einer neuen Erde träumen, dann meinen wir immer ein friedliches Zusammenleben. Nicht nur für Christen. Alle Menschen sehnen sich nach Frieden. Ausnahmslos. Und auch ein Hund, die Katze, eine Ente, ein Schwein möchte alt werden. Ich sehe es so gerne, wenn eine Ente sich ihr Gefieder putzt, ich freue mich über ein Schwein, das grunzend in der Erde wühlt und ich habe schon manch einen stolzen Hahn bewundert und zu ihm gesagt: „Na, alles klar mit den Hennen?“
Gönnen wir doch auch den Tieren den Frieden, lassen wir endlich die Zeiten anbrechen, in denen wir nicht mehr die Hand gegen sie erheben, sondern ihnen die Hand reichen und ihnen den Wert eines Mitgeschöpfes zuerkennen. Ich wünsche mir eines: dass wir alle zu Botschaftern werden, die diese Idee weitergeben. Und das wir nicht nur heute ein tierfreies Mahl miteinander verzehren, sondern dass jeder es weiter erzählt: „Hör mal, nur einmal in der Woche auf Fleisch verzichten und tierfrei essen.“ Das kann der Anfang eines Wandels unseres Verhältnisses zu Tieren sein. Wenn Ihr alle meinen Wunsch mittragt, dann ist das schon viel und dann bin ich sehr dankbar und sehr zuversichtlich, auch wenn es ein langer Weg ist, den wir gehen müssen. Aber wir gehen ihn miteinander und ich bin mir sicher, dass der Geist Gottes mit uns geht. Amen.
Alida Pisu
Was geschieht eigentlich mit dem Fleisch zwischen Schlachtung und Verzehr? Dieser Frage bin ich nachgegangen und wurde fündig. Hier ist „Die Geschichte vom unglücklichen Igel“ – oder – „Das Tier als Mettgeschöpf“.
„UUUUUUUUnglücklich“, sagte der Mettigel. „Unglücklich. Ich bin ja sooo uuunglücklich.“
Er saß auf einem Teller in der Mitte eines kalten Buffets im festlich geschmückten Gemeindesaal.
„Aber warum denn“, fragte ein duftendes Speckröllchen, das mit vielen anderen Schweine-Speckröllchen in einer Schüssel lag. „Du siehst doch toll aus in deinem Zwiebelbett, mit deinen Salzstangenstacheln und deinen Olivenaugen.“
„Ich weiß aber nicht, wer ich bin. Ich soll ein Igel sein, aber ich bin halb Schwein, halb Rind und der Rest ist Fett.“
„Haha, ein Fett-Mett-Igel“, lachte ein Geflügel-Würstchen aus einem Topf mit heißem Wasser heraus. „Sieh mich an, ich fühle mich wohl in meiner Haut.“
„In deiner Haut? Du armes Würstchen, du meinst wohl, in deinem Darm“, antwortete der Igel.
„Darm? Wieso Darm?“
„Na, du steckst doch in einem Darm.“
„Pfui, Teufel“, machte sich eine weitere Stimme von einem Porzellantablett her bemerkbar. „Wie kann man nur in einem Darm stecken. Ich bin eine Lammfleischfrikadelle. Und ich bin sowohl koscher als auch halal. Also ohne Schweinefleisch.“
„Ich wäre auch lieber ohne Schweinefleisch und ohne Rindfleisch“, sagte der Mettigel. „Am liebsten wäre ich ein ganz normaler Igel. Ein Igel aus Igelfleisch.“
„Da wirst du auch gefressen“, sagte das Würstchen.
„Was zu beweisen wäre– da könnte ich mich wenigstens zu einer Kugel zusammenrollen und mich mit meinen Stacheln wehren. Außerdem bestehen Igel aus Igelfleisch und müssen nicht gezüchtet und gemästet werden.“
„Wat is loss?“, ertönte eine fröhliche Stimme von einem Hackbrett herüber. „Jezüchtet? Jemästet? Dat is doch drissejal! Ich bin ne echte Kölsche Flönz, mir jeiht et juut. Alaaf!“
„Aber du bist aus Blut gemacht“, jammerte der Mettigel.
„Ja unn, du Hackepitter. Bloot unn Fett unn Hormönchen, dat määt doch nix? Weil ich jot schmecken will. Unn besonders jot schmecken ich mit Öllich, nem Röggelchen, vill Mostert un nem lecker Kölsch.“
„Aber was glaubst du, wie viele unschuldige Tiere geschlachtet wurden und wie viel Wasser und wie viel Futtermittel verschwendet wurde, um uns alle hier herzustellen?“ sagte der Mettigel.
„Hör doch op mit dingem Verzäll, du Jeschmachsverstärker. Mer sin doch keine Verschwendung – denn: 1. wat fott is, is fott! Unn: 2. et hätt noch immer jotjejange…“
„Dein Wort in Gottes Ohr“, flötete das Speckröllchen. „Wann wird eigentlich unser Buffet eröffnet?“
Die Antwort darauf kam von einer tiefen menschlichen Stimme.
„Komm Herr Jesus, sei unser Gast“, sagte der Gastgeber. „Und segne, was Du uns bescheret hast!“
Der kräftige Hieb seines Hackmessers fuhr in den Mettigel und teilte ihn in zwei Hälften. Aus jeder Hälfte schielte ein trauriges Olivenauge hervor.
So beendete der unglückliche Rind-Schweine-Igel sein Dasein – und wurde – mit Gottes Segen – letztendlich zu glücklichem zufriedenen Menschenfleisch.
Gaby Falk
Seit 30 Jahren kümmere ich mich um Kaninchen aus dem Tierheim, denen ich auf meinem Balkon ein neues zu Hause geben. Kaninchen changieren in unserer Gesellschaft irgendwo in einer Grauzone zwischen Nutztier und Haustier. Sie haben keine wirkliche Lobby – so wie Hunde und Katzen es in unserer Gesellschaft haben. Und da erlebt man als Hüter von Kaninchen schon mal die ein oder andere böse Überraschung. So gibt es immer wieder Menschen, die einem zunächst einmal mitteilen, dass sie Kaninchen auch sehr gerne hätten – am liebsten auf dem Teller mit Pfeffersoße. Man lernt mit den Jahren, diese Kommentare auszublenden.
Das Ausblenden war letztlich im Supermarkt schon schwieriger. Auf der Suche nach den diversen Artikeln auf meiner Einkaufsliste schweiften meine Blicke herum und blieben plötzlich an der Fleischtheke hängen – dort stand ein rotes Schälchen mit dunkelroten Stücken darin, es handelte sich um Leber. Davor stand ein Pappschild: Kaninchen, 22 Euro. Nie zuvor ist mir so plakativ klar geworden, wie hoch die Diskrepanz ist – zwischen dem Wert dieser Tiere in der Fleischtheke und dem, den sie für uns Menschen persönlich haben. Man muss es mir angesehen haben, die Verkäuferin fragte, ob sie etwas für mich tun könne – ich verneinte dankend und versuchte, mich zu sammeln. 22 Euro für ein Schälchen Kaninchenleber – und zu Hause wartet Herminchen, eine sehr, sehr alte Kaninchendame auf mich und ihre Petersilie. Sie muss täglich gewaschen werden und trocken gefönt, braucht frische Inkontinenzmatten und Kuscheldecken – vor allem aber ihre Streicheleinheiten. In Petersilie und Salat gerechnet kommen wir mit 22 Euro gerade mal zwei Wochen hin.
Mag sein, dass der ein oder andere denkt: was für ein Bohei wegen eines Kaninchens. Ja, ich könnte es mir leicht machen, sie ist ja jetzt alt, pflegebedürftig und macht viel Arbeit – vielleicht lasse ich sie einfach einschläfern, dann bin ich die Sorge los? Wenn man vom Preis in der Fleischtheke ausgeht, wäre das sicher die wirtschaftlichste Entscheidung. Und es würde mir das Herz brechen. So bete ich jeden Tag dafür, dass es ihr noch lange im Alter so gut geht wie jetzt und möchte auch weiterhin alles dafür tun, dass sie mir noch lange als Gefährtin erhalten bleibt. Wir Menschen sind eben nicht immer rational – und dafür bin ich Gott sehr dankbar.
Dagmar Müller