Ostermorgen mit Osterfeuer

"Der Himmel ist mein eigentliches Element"

„Um fünf Uhr früh treffen wir uns an der Lutherkirche und gehen dann gemeinsam durch die Dunkelheit in den Volksgarten. Der Karfreitag geht vom Ostersamstag über in den noch dunklen Ostermorgen. Ganz archaisch. Im Volksgarten brennt schon das Osterfeuer. Da braucht man gar nichts zu sagen, außer beim Vorlesen der Freiwerdungs-Scheine: Der Ritus mit dem Feuer, das Anzünden der Osterkerze, das alles spricht für sich.

Dann wird mit dem anbrechenden Morgen das Element Licht immer stärker. Man steht im Park, man hört die Vögel singen, es entsteht eine ganz eigene Atmosphäre. Später sitzen wir dann in der Kirche, die anfangs noch dunkel ist und in die allmählich immer mehr Licht einfällt. Das ist noch einmal die Gelegenheit, eine Verdichtung zu spüren, auf die Suche nach Lebensspuren zu gehen. Das entdecken wir in jedem Jahr wieder neu, weil es davon abhängt, was im Augenblick Thema ist, was uns gerade als Menschen bewegt oder auch verhindert. Wir versuchen, da eine Öffnung zu erreichen.

Nach dem Ostermorgen-Gottesdienst ist es immer schön, noch zu verweilen und mit ganz vielen Leuten ein tolles Frühstück einzunehmen, das im Gemeindesaal schon vorbereitet ist…“
Pfarrer i. R. Hans Mörtter

P. S.: Seit 2020 findet ein kleines Osterfeuer im Atrium der Lutherkirche statt.

Über Auferstehung und Urvertrauen

Ostermorgenritual mit Osterkerze, Foto: Helga Fitzner

… Der Ostersonntag ist im Grunde genommen eine ganz heikle Geschichte. Was ist Auferstehung? Wie erkläre ich Auferstehung? Der Paulus hat einmal gesagt, wenn wir als Christen nicht glauben, dass wir leibhaftig auferstehen – leibhaftig im Sinne von allem, was uns ausmacht, unserer Wesentlichkeit – dann können wir unseren Glauben vergessen. Dann ist alles nur tumbes Gerede, und wir sind nur ein Kleingärtnerverein. Wir würden uns nur beschäftigen, betäuben und mit irgendeiner Ideologie über Wasser halten. Dabei geht es in Wahrheit doch um etwas Abenteuerliches. Seit es Menschen gibt, haben sie sich Gedanken darüber gemacht, wie der Mensch weiterlebt, ob es die Seelenwanderung gibt. Da sind die Ägypter, die glauben, mit dem Schiff überzusetzen, dann gibt es den Glauben an die Unterwelt des Hades oder dass wir im Großen Geist des Manitu aufgehen. Bei allen Kulturen ist unglaublich viel Verbindendes. Überall wird beschrieben, dass die menschliche Existenz einen Kern hat, der unzerstörbar ist, auch in der Individualität. Wie das dann zusammenfließt, weiß keiner von uns. Auch Christen, die behaupten zu wissen, dass Auferstehung so oder so geht, die können einpacken. Das ist Blödsinn. Das ist etwas, was nur entgegen aller Zweifel geglaubt werden kann. Entgegen allem Augenschein vertrauen wir.

Ich werde mit dem Urvertrauen geboren, so komme ich zur Welt, und das gilt zumindest für die Anfangsmonate meines Lebens. Dann kann ich nur hoffen, dass ich gute Eltern habe. Aber selbst diejenigen, denen es nicht gut geht, haben das Urvertrauen mitbekommen. Einer, der noch so chancenlos geboren ist, einer, der immer klein gemacht wurde, kann einen Lebensprozess durchmachen, in dem er dieses Urvertrauen wiedererkennt. Das hängt davon ab, welchen Menschen er begegnet, in welche Situationen er gerät, welche Krankheiten er bekommt, welchen existenziellen Herausforderungen er sich stellen muss. Manchmal, ganz unerwartet, zuckt dann etwas auf. Denn dieses Quäntchen Urvertrauen ist stärker, als wir denken. Dann geht es darum, sich zu öffnen. Man braucht gar nicht zu definieren, was das eigentlich ist. Sicher ist: Da ist etwas und auf das ist Verlass. Ich bin mit einer Verheißung geboren und spüre, dass mein Leben Ewigkeits-Charakter hat.

Mit der Osterbotschaft lerne ich Vokabeln und Geschichten, die versuchen, mir etwas zu vermitteln, was im Grunde nicht beschreibbar ist. Weil wir Menschen Bilder brauchen, brauchen wir solche Geschichten. Kleine Kinder brauchen Märchen, um zwischen gut und böse unterscheiden zu können. Das dient dann aber nur als Anhaltspunkt. Irgendwann werden sie merken, dass es diese Unterscheidung vielleicht gar nicht gibt. Gut ist manchmal böse, und böse ist manchmal gut. Ein Problem des Protestantismus ist, dass wir immer neu entscheiden müssen. Es gibt keine universalen Antworten. Der Ostermorgen-Gottesdienst ist eine solche Gratwanderung, jedes Mal neu zu schauen, wo befinden wir uns heute? in diesem Jahr? was bewegt uns? wie stark ist unsere Hoffnung und unsere Sehnsucht? Wenn ich spüren kann, dass der Himmel mein eigentliches Element ist, dann kann ich ihn auch auf der Erde leben, dann kann das Himmlische etwas ganz Irdisches sein.“
Pfarrer i. R. Hans Mörtter

P.S. Das Osterfeuer findet in kleinerem Rahmen inzwischen im Atrium der Lutherkirche statt.

Fotos: Timo Belger

Krisenjahr 2020

Die Kar- und Osterwoche musste 2020 ohne Gemeinde stattfinden. Hier eine Aufzeichnung des Gottesdienstes am Ostermorgen.

Kunst und Gottesdienste während der Karwoche 2020

PASSIONSZEIT

Unser Kurator Rochus Aust erschuf zusammen mit verschiedenen Künstler:innen und Pfarrer Hans Mörtter einige klangbasierte Installationen, die auf c-view zu sehen sind.

„Unterbrechung“ ist das neue Format von Pfarrer Hans Mörtter und unserem Kurator Rochus Aust, das die bisherigen Nachtstillen und die „passio“ ersetzt.

Montag, 6. April 2020 · ab 16.00 h online abrufbar unter LTK4 c-view
UNTERBRECHNUNG #05 · COLLISIO
mit Verena Barié/Köln-Amsterdam (Blockflöten/Elektronik) Constantin Herzog/Köln (Kontrabass)
Rochus Aust/Köln (Trompeten)

Dienstag, 7. April 2020 · ab 16.00 h online abrufbar unter LTK4 c-view
UNTERBRECHNUNG #06 · GLOBUS IGNEUS
mit Oxana Omelchuk/Köln (Orgel/Elektronik)
Constantin Herzog/Köln (Kontrabass)
Rochus Aust/Köln (Trompeten)

Mittwoch, 8. April 2020 · ab 16.00 h online abrufbar unter LTK4 c-view
UNTERBRECHNUNG #07 · RELIQUIAE
Mark Polscher/München (Elektronik)
Constantin Herzog/Köln (Kontrabass)
Rochus Aust/Köln (Trompeten)

Gründonnerstag, 9. April 2020 – Der Mahlgottesdienst enfällt
Alternativ hat Pfarrer Mathias Bonhoeffer ein Video erstellt

Karfreitag 10. April 2020 · 11.00 Uhr online aufrufbar unter LTK4 c-view
UNTERBRECHNUNG #08 · INFINITUM
Pfarrer Hans Mörtter
Verena Barié/Köln-Amsterdam (Blockflöten/Elektronik)
Oxana Omelchuk/Köln (Orgel/Elektronik)
Mark Polscher/München (Elektronik)
Constantin Herzog/Köln (Kontrabass)
Rochus Aust/Köln (Trompeten)

Ostersonntag 2020 - Online

OSTERSONNTAG

In diesem Jahr werden die musikalischen UNTERBRECHUNGEN der Karwoche in der Lutherkirche als Online-Meditationen angeboten.

Erbeben, Blitz und Steinverschiebung bereiten am Ostersonntag die Stille
der Leere vor.
Die Losung lautet: Fürchtet Euch nicht!
Und wie die Frauen vor dem leeren Grab, steht die Gemeinde vor der
leeren Kirche.
Undenkbar und doch angekündigt.
Unfassbar und doch real.
Unerklärlich und doch längst begründet.
Und aus zwei Metern Abstand klingt die vertrauensvolle Stimme:
„Fürchte Dich nicht vor…“
Text: Rochus Aust

Ostersonntag, 12. April 2020 WURDE AUFGEZEICHNET
mit Pfarrer Hans Mörtter, Mezzosopranistin Agnes Erkens und
unserem Kantor Thomas Frerichs

OSTERFEUER – Verbrennung von Freiwerdungs-Scheinen
Ihr kennt das Ritual von Palmsonntag aus den letzten Jahren:Wir verbrannten auch in diesem Jahr die Freiwerdungs-Scheine im Osterfeuer! Da Palmsonntag ausfallen musste, sandten viele ihre Scheine an Pfarrer Hans Mörtter mit Antworten auf die Fragen: Was belastet Euch, was erdrückt Euch, was macht Euch Angst, wovon wollt Ihr frei werden.