Rassismus im Alltag
Mit Alida Pisu, Amnesty Inter-national, der Theaterakademie Köln am 2. April 2017
Für diesen Gottesdienst hat Prädikantin Alida Pisu Frau Inge Heck-Böckler aus Aachen eingeladen, die Landesbeauftragte in NRW für politische Flüchtlinge, die schon lange in der Anti-Rassismusarbeit von Amnesty International tätig ist. Mitglieder der Theaterakademie Köln werden in Spielszenen illustrieren, wie einfach sich Rassismus in den Alltag einschleichen kann.
„Integration – ein Schlagwort, welches uns aus der aktuellen Zuwanderungsdebatte geläufig ist. Damit aber die Integration von Menschen aus verschiedenen Kulturen gelingen kann, ist die Überwindung von Rassismus Grundvoraussetzung. Dabei ist nicht nur der eindeutige Rassismus gemeint, der uns offen seine hässliche Fratze zeigt. Uns geht es vielmehr um unser alltägliches Leben, in welchem sich möglicherweise die eine oder andere Verhaltensweise findet, die (ganz unbeabsichtigt) bei genauerer Betrachtung rassistische Züge aufweist.
Zusammen mit der Theaterakademie Köln wollen wir uns dem Thema in szenischen Darstellungen und im Gespräch nähern und dazu anregen, das eigene Verhalten zu reflektieren und Erkenntnisse zu gewinnen, um so im täglichen Leben auch subtilem Rassismus entgegentreten zu können – ohne gleich die moralische Keule zu schwingen.“
Amnesty International
„Treffen sich ein Pole, eine Türkin und eine Rumänin auf dem Amt…“ Das klingt wie ein rassistischer Witz – ist es auch. Die Rumänin ist zwar nicht blond und blauäugig, kommt aber ganz ‚biodeutsch‘ rüber. Spricht akzentfrei, klaut gar nicht. Die Türkin? Wird vom Sachbearbeiter automatisch in einfacher Sprache bevormundet. Das muss sie ja wohl verstehen. Eigentlich komisch. Denn der Amtsschimmel kommt aus Polen. Und nur die Türkin ist in Deutschland geboren. Könnte lustig sein. Ist es auch. Die Pointe aber bleibt einem im Hals stecken, weil sie bittere Realität ist. Und weil Witze über Ausländer eigentlich nicht witzig sind. Selbst wenn Ausländer sie erzählen.
Das Ensemble der Theaterakademie Köln erforscht in einer handvoll Miniaturen die subtilen Mechanismen des alltäglichen Rassismus. Und erzählen Ausländerwitze. Die dürfen das. Die sind schließlich Migranten. Nach Motiven von Amnesty International erarbeiten wir unter der Leitung von TAK-Schulleiter Robert Christott szenische Etüden mit drei SchauspielerInnen: Gizem Kaplan, Carmen Konopka und Fatima Taih sowie Schülerinnen und Schülern aus dem ersten Ausbildungsjahr.“
Robert Christott
Fotos: Stefan Schmiedel
Leider gab es ein tontechnisches Problem, so dass wir kein Transkript des Gespräches erstellen können.
Schwarze Haut, weiße Masken
ALLE DER RASSIST DER ANTIRASSIST DER SACHLICHE
Der Neger ist ein Phobie und Angst verursachendes Objekt. (Jeder in seinem eigenen Subtext: Rassist „So isses!!!“ Antirassist: „Stell dir mal vor, das sagen manche Menschen echt so!“ Sachlicher: „Aha, das hab ich mal irgendwo so gelesen…“) Jede Angst entspringt einer gewissen subjektiven Unsicherheit, die mit der („Schaut mal her, ich weiß Bescheid!“) Abwesenheit der Mutter zusammenhängt. „Ich habe Angst vorm schwarzen Mann“ („Geh doch zurück in den Wald, du Affe!“) heißt: weil sie mir alles Mögliche antun könnten, aber keine gewöhnlichen Misshandlungen, sondern sexuelle, also unmoralische, entehrende Misshandlungen. („Mir kommen die Tränen du Weichei…!Das glaubst du wirklich, oder??“) Gegenüber dem Neger spielt sich in der Tat alles auf genitaler Ebene ab. („Ja leider ist das schon so bei vielen Weißen“) Es scheint, dass sie überall und immer vögeln. („Wie machen die das bloß…?“) Jedermann weiß, dass dies nicht der Fall ist. („Du spinnst doch!“) Doch das ist nicht der springende Punkt. Das prä-logische Denken des Phobikers hat beschlossen, dass dem so ist. („Da brauchen wir jetzt gar nicht emotional zu werden!“) Beim Juden denkt man ans Geld. Beim Neger an den Sex. („Oder etwa nicht!?“) Der so genannte zivilisierte Weiße Negro-phobie liegt auf der Ebene der Instinkte. bewahrt die irrationale Sehnsucht nach Zeiten außergewöhnlicher sexueller Freiheit, orgiastischer Szenen, ungestrafter Vergewaltigungen, nicht unterdrückten Inzests. Indem der Weiße seine Absichten auf den Neger projiziert, verhält er sich, „als ob“ der Neger sie wirklich hätte. („Traurig, aber wahr!“)
Bei den Negern beginnt die Pubertät mit neun Jahren, mit zehn haben sie Kinder; sie sind heiß, haben starkes Blut; sie sind robust. („Schon irgendwie krass drauf, die Affen!“) („Das muss ich aber doch sagen“) „Eine schöne Rasse.“Ein Hauch von Massaker und Vergewaltigung..! („Der Satz war jetzt so was von rassistisch…!!) Der Henker ist der schwarze Mann, Satan ist schwarz, man spricht von Finsternis, und wenn man schmutzig ist, ist man schwarz –körperlich oder moralisch. („Und wer das nicht einsieht, der ist halt ein Vollidiot!“) Würde man sich die Mühe machen, sie zu sammeln, dann wäre man überrascht über die sehr große Zahl an Ausdrücken, die den Schwarzen zur Sünde machen. In Europa stellt der Neger, sei’s konkret oder symbolisch, die schlechte Seite der Persönlichkeit dar. („Es ist erschütternd, aber leider tägliche Realität!!“) Solange man dies nicht begriffen hat, wird alles Reden über „das schwarze Problem“ vergeblich sein. Das Schwarze, das Dunkle, der Schatten, die Finsternis, die Nacht, jemanden anschwärzen… („Leute, wacht auf! Wir sind voll bedroht durch die!“) und auf der anderen Seite: der klare Blick der Unschuld, die weiße Taube des Friedens, das feenhafte, paradiesische Licht. („Weiß ist auch eine schöne Farbe“) Ich glaube, man muss wieder Kind werden, um bestimmte psychische Realitäten zu verstehen. („Wann wachen wir denn endlich aus diesem Alptraum auf?!“) Eines Tages entdecke ich, dass ich in einer Welt lebe, in der die Dinge wehtun; Eines Tages entdecke ich, dass ich auf der Welt bin, und ich gestehe mir nur ein einziges Recht zu: vom Anderen ein menschliches Verhalten zu verlangen. Der „Neger“ ist nicht. Ebenso wenig der „Weiße“. Warum nicht einfach versuchen, den Anderen zu berühren, den Anderen zu spüren, mir den Anderen zu offenbaren. Ist mir meine Freiheit denn nicht gegeben, um eine Welt des Du zu errichten? („Kommt schon Leute, es ist Zeit, umzudenken!“)
aus: „Schwarze Haut, weiße Masken“ von Frantz Fanon
Die Schüler und Schülerinnen aus dem ersten Ausbildungsjahr der Theaterakademie Köln performten den oben stehenden Text gemeinsam.
Stephan Liebsch, Michael Mayer, Carmen Baak, Farina Jansen, Nadine El Toukhi, Marie Kalvelage, Laura Schulte, Yasemin Gecmez, Anne Scarbath, Jennifer Groß
Zum Schluss gab uns Carmen Konopka die „Absolution“, weil wir so brav zugehört hatten. Klar, dass das ironisch gemeint war und nicht reicht, um sich rassistischen Tendenzen entgegen zu stellen.
Die Lutherkirche dankt allen Beteiligten von Amnesty International und der Theaterakademie Köln für ihren Einsatz vor und hinter der Bühne.